Ein Artikel von www.tagesschau.de vom 29.09.2021 dürfte sowohl Herstellern als auch Fans und Befürwortern von kultiviertem Fleisch ein wenig sauer aufgestoßen sein. Zwar kommen in dem „Hintergrund“-Bericht mit dem Titel „Steak ohne Schlachten“ auch Vorteile wie die deutlich geringeren Emissionen sowie die der geringere Bedarf an Flächen und Wasser zur Sprache – gleichzeitig bringt der Autor aber auch zwei Kritikpunkte an. Zum Teil ungerechtfertigterweise, wie wir finden.
Kritikpunkt 1: Hoher Energiebedarf von Bioreaktoren
Der Autor schreibt: „Doch nicht alle finden die Idee mit dem Fleisch aus der Petrischale gut. Starköchin Sarah Wiener hält sie für einen gefährlichen Irrweg. "So etwas herzustellen, kostet viel Energie und Ressourcen." Tatsächlich bräuchte man für die massenhafte Herstellung riesige energieintensive Bioreaktoren, in denen das Fleisch heranwachsen kann, gibt Silvia Wolf vom Karlsruher Institut für Technologie zu bedenken.“
Unsere Meinung
Dass Bioreaktoren viel Energie brauchen, ist unbestritten. Energieintensivität ist aber nicht per se ein Problem. Die entscheidende Frage ist: Woher kommt die Energie? Stammt die Energie zur Versorgung der Bioreaktoren aus fossilen Energieträgern wie beispielsweise Kohle, so ist das tatsächlich ein Problem. Wird die benötigte Energie aber aus Wind-, Wasser- oder Solarkraft gewonnen, sollte der hohe Energiebedarf kein Problem mehr darstellen. Besonders dann nicht, wenn der Hersteller die Energie beispielsweise mittels Solarpaneelen selbst erzeugt. Eine entsprechende Einordnung hätte dem Artikel an dieser Stelle gutgetan.
Kritikpunkt 2: Nährlösungen aus fötalem Rinderserum
Weiter schreibt der Autor: „Zudem werden Nährlösungen für das Wachstum der Stammzellen oft aus Kälberföten genommen. Millionen Kälber müssen also sterben. Als Alternative versuchen Wissenschaftler und Start-ups, das Kälberserum durch pflanzliche Stoffe beispielsweise aus Algen zu ersetzen.“
Unsere Meinung
Einige Unternehmen „füttern“ die Zellen, aus denen später Fleisch wächst, noch immer mit fötalem Rinderserum. Und das ist tatsächlich ein Problem. Denn dabei handelt es sich um Blut eines ungeborenen Kalbes. Ethisch höchst fragwürdig – kein Zweifel. Hinzu kommt, dass fötales Rinderserum extrem teuer ist. Schon allein aus wirtschaftlicher Sicht ist den Unternehmen also daran gelegen, eine kostengünstigere und idealerweise moralisch vertretbare Alternative zu finden.
Was der Artikel verschweigt: Mosa Meat aus den Niederlanden, eines der führenden Unternehmen der Branche, hatte bereits 2019 verkündet, fötales Rinderserum aus seiner Nährlösung genommen zu haben. Das hätte der Autor, angesichts der Tatsache, dass der Tagesschau-Artikel im September 2021, also rund 2 Jahre später erschien, durchaus erwähnen dürfen. Und Mosa Meat ist mitnichten das einzige Unternehmen, dem dieser Schritt bereits gelungen ist.
Fazit
Wer die Abläufe und den Zeitdruck in einer Redaktion kennt, weiß, dass solche Versäumnisse vermutlich den Umständen geschuldet sind. Dementsprechend geht es uns an dieser Stelle auch gar nicht darum, die Tagesschau oder den Autor zu tadeln, sondern vielmehr um eine Einordnung. Denn die beiden Lücken im Artikel erwecken beim unbedarften Leser den Eindruck, dass die Marktreife von kultiviertem Fleisch Lichtjahre in der Zukunft liegen. Wer die Entwicklungen in der Branche verfolgt, weiß jedoch: Es geht Schlag auf Schlag.