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Das braucht es, um die Cultured Meat Branche zu stärken

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Die Viehwirtschaft verbraucht nicht nur 30 % des Erdwassers und 8 % des weltweiten Süßwassers, sondern ist Schätzungen zufolge auch für 14,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wenn die Welt kohlenstoffneutral werden soll, muss vor allem letztere Zahl drastisch gesenkt werden. Eine    gewaltige Herausforderung vor dem Hintergrund, dass der Fleischkonsum bis 2040 um 50 Prozent zunehmen soll. Auf einen Gesamtwert von 1,8 Billionen US-Dollar. Kultiviertes Fleisch hat das Potenzial die wachsende Marktnachfrage nach Proteinen zu befriedigen und gleichzeitig den ökologischen Fußabdruck der Fleischproduktion drastisch zu verringern. Zunächst muss aber die Branche selbst wachsen. Was es dazu braucht, erklären wir im Folgenden.

Inhaltsverzeichnis

Kooperation statt Konkurrenzdenken

Einige Betriebe und Konzerne, die bisher stark auf Nutztierhaltung setzen, sehen Cultured Meat als Bedrohung an. Nicht ganz zu Unrecht, schließlich ist die Kultivierung von Fleisch der konventionellen Fleischerzeugung in Punkten wie Nachhaltigkeit, Ressourcenverbrauch und auch in Sachen Gesundheit deutlich überlegen. Gleichzeitig sprechen viele Cultured Meat Unternehmen davon, die konventionelle Fleischerzeugung ersetzen zu wollen.
Angesichts der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch wird es aber wohl zumindest mittelfristig auch eine Koexistenz beider Herstellungsmethoden hinauslaufen - idealerweise mit einer entsprechenden Verzahnung. Das israelische Start-up Aleph Farms nimmt hier eine Vorreiter-Rolle ein. Ziel ist es, kultiviertes Fleisch erfolgreich in die bestehenden Lebensmittelsysteme zu integrieren. Dazu unterstützt Aleph Farms lokale Erzeuger und gibt bestehenden Landwirten die Möglichkeit, neben der konventionellen Produktion neue Einnahmequellen zu erschließen und arbeitet mit etablierten Lebensmittelkonzernen – darunter der US-amerikanische Lebensmittelkonzern Cargill, die Schweizer Supermarktkette Migros und BRF, ein globales brasilianisches Fleisch- und Lebensmittelunternehmen - zusammen. Eben miteinander statt gegeneinander.

Aufmerksamkeit & Bekanntheit

Gespräche im Bekanntenkreis zeigen: Es gibt noch immer Menschen, die noch nie von kultiviertem Fleisch gehört haben. Das muss sich ändern. Wir versuchen unseren Teil dazu beizutragen – sowohl mündlich im Bekanntenkreis als auch im deutschsprachigen Raum mit unserer Website. Das alleine wir aber nicht reichen. Es braucht Verbände wie CellAg Deutschland oder Cellular Agriculture Europe sowie NGOs wie das Good Food Institute, die die Interessen der Branche vertreten und mit Veranstaltungen sowie medialer Präsenz den Bekanntheitsgrad von Cultured Meat steigern. Ebenfalls wichtig: Prominente Botschafter wie beispielsweise Leonardo DiCaprio, der öffentlichkeitswirksam Beteiligungen an Mosa Meat sowie Aleph Farms erworben hat. Und selbstverständlich innovative Unternehmen wie Aleph Farms, das mit dem 3D-Druck von Steaks im Weltall für Schlagzeilen gesorgt hat.

Akzeptanz

Fleisch aus dem Labor? Das schmeckt doch nicht. Das ist doch Gentechnik. Das kann doch nicht gesund sein. Rund um kultiviertes Fleisch ranken sich die verschiedensten Mythen. Um mit solchen Vorurteilen aufzuräumen, ist Aufklärungsarbeit gefragt. Es gilt, die ökologischen und gesundheitlichen Vorteile von kultiviertem Fleisch gegenüber konventionell erzeugtem Fleisch herauszuarbeiten und den Menschen nahezubringen. Das gelingt am besten durch entsprechende mediale Präsenz – hier sind sowohl Hersteller als auch Verbände und NGOs gefragt. Zudem müssen potenzielle Konsumenten die Möglichkeit erhalten, sich bei Verkostungen ein Bild vom Geschmacksprofil von Cultured Meat zu machen – hier liegt die Verantwortung einerseits bei den Landesparlamenten, die solche Verkostungen wie jüngst in den Niederlanden genehmigen müssen, und im nächsten Schritt bei den Herstellern.

Laut einer Studie von Aleph Farms steht es um die Akzeptanz von kultiviertem Fleisch schon jetzt nicht allzu schlecht – zumindest in Großbritannien und den USA. „87-89% der Erwachsenen der Generation Z, 84-85% der Millennials, 76-77% der Generation X und 70-74% der Boomer waren zumindest etwas offen dafür, kultiviertes Fleisch zu probieren“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Gerade Jüngere stehen Cultured Meat demnach sehr offen gegenüber.

Investitionen

In Investorenkreisen hat In-vitro-Fleisch bereits einiges an Aufmerksamkeit erregt. Rund 2 Milliarden US-Dollar an Investitionen sind bereits in die zelluläre Landwirtschaft geflossen. Ein ordentlicher Betrag. Gemessen an den Kosten, die der stetige Innovationsdruck und eine entsprechende Skalierung im Unternehmen verursachen, jedoch ein Tropfen auf dem heißen Stein. Umso wichtiger ist es, dass der Cultured Meat Branche die entsprechende Aufmerksamkeit zu Teil wird. Das lockt nicht nur weitere private Geldgeber, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit staatlicher Investitionen. Das wiederum ermöglicht Innovation, Skalierung und schließlich fertige

Kostenreduktion

Mit Blick auf den Preis sind Cultured Meat Produkte aktuell nicht konkurrenzfähig. Noch nicht. Denn vor dem Hintergrund, dass der erste Cultured Meat Burger 2013 noch rund 250.000 Euro an Produktionskosten verschlungen hatte, zeigt die Verlautbarung des israelischen Start-ups Future Meat, die Kostenbarriere von 5 US-Dollar durchbrochen zu haben, dass es in Riesenschritten vorangeht. Die Marktreife einiger Produkte steht kurz bevor, erste product launches dürften – vorbehaltlich einer Zulassung – noch in 2022 erfolgen.

Der Erfolg von kultiviertem Fleisch steht und fällt aber mit dem Preis. Nur wenn sich Cultured Meat Produkte preislich auf einem vergleichbaren Niveau bewegen wie konventionell erzeugte Fleischprodukte, werden sie auch flächendeckend angenommen. Einen solches Preisniveau zu erreichen, gelingt den Herstellern vermutlich nur dann, wenn die Produktionskapazitäten entsprechend hoch sind. Diese aufzubauen ist extrem kostenintensiv – umso wichtiger ist es, weitere Investoren zu gewinnen.

Studien

Dass Cultured Meat konventionell erzeugtem Fleisch in nahezu allen Punkten überlegen ist, ist in Fachkreisen längst bekannt.

Ökologisch

  • nur ein Bruchteil der Emissionen
  • keine Schlachtungen
  • kein Tierleid
  • deutlich weniger Wasserverbrauch
  • deutlich geringerer Flächenbedarf

Gesundheitlich

  • kein Antibiotikaeinsatz
  • keine Gefahr von Verunreinigungen
  • modifizierbare (Mikro)nährstoffbilanz
  • geringeres Pandemie-Risiko

Gesellschaftlich

  • Möglichkeit zur Verbesserung der globalen Ernährungssituation
  • Möglichkeit zur Verbesserung der globalen Wasserversorgung

Zahlen, Daten und Statistiken dazu gibt es bislang kaum. Was es braucht sind Studien, die diese Vorteile auf breiter wissenschaftlicher Basis belegen und quantifizieren. Das erleichtert nicht nur die Ansprache der Verbraucher, wodurch sich weitere Absatzmöglichkeiten erschließen lassen, sondern ebnet gleichzeitig den Weg für weitere private und staatliche Investitionen.

Zulassungen

Wenn es um kultiviertes Fleisch geht, sind die behördlichen Genehmigungen eine Hürde. Der Schritt Singapurs im Jahr 2020, als erstes Land kommerzielle Fleischprodukte aus kultivierten Tierzellen zuzulassen, war ein ermutigendes Zeichen. In Fachkreisen ist auch von baldigen Zulassungen in den USA die Rede. In der Europäischen Union wird bis zur ersten Zulassung vermutlich noch ein wenig Zeit vergehen, schließlich ist das Lebensmittelregulierungssystem der EU für seine Strenge bekannt. Ein wenig Lobbyarbeit seitens der Interessensverbände dürfte da nicht schaden. Immerhin: Robert Jones, Präsident von Cellular Agriculture Europe, erwartet, dass noch in 2022 die ersten europäischen Cultured Meat Firmen Zulassungsanträge einreichen werden.

Standards

Innerhalb der EU gelten strenge Standards für Lebensmittel. Cultured Meat Produkte, die den Verbrauchern hier zugänglich gemacht werden, dürften also durch die Bank halten, was sie versprechen. Außerhalb der EU stellt sich die Situation mit Blick auf Regulierungen ein wenig anders da. Es ist zumindest davon auszugehen, dass andernorts laschere Vorgaben gelten werden.

Eine Möglichkeit, solche Standards auch ohne Regierungsbeteiligung global zu schaffen, sind Zertifizierungen & Siegel. Analog zum MSC-Siegel in der Fischerei oder dem Haltungsform-Siegel in der Fleischwirtschaft ließe sich so – selbstverständlich unter der Voraussetzung engmaschiger Kontrollen –sicherstellen, dass bestimmte Mindestanforderungen im Bereich der Herstellung, der Produktqualität und auch in Sachen Nachhaltigkeit eingehalten werden.

Fazit

Vom Hirngespinst zur ersten Zulassung. Vom ersten Burger für rund 250.000 US-Dollar zu zum Teil marktreifen Produktionskosten. Die Cultured Meat Branche hat insbesondere in den zurückliegenden beiden Jahren eine hervorragende Entwicklung genommen. Bis kultiviertes Fleisch aber trotz aller Vorteile zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für konventionell erzeugtes Fleisch wird, sind noch einige Hürden zu nehmen. Vieles lässt sich mit Geld beschleunigen – sei es durch private oder staatliche Investitionen -, aber nicht alles. Gerade was Bekanntheit und Akzeptanz anbelangt, ist noch viel zu tun. Wir versuchen, im deutschsprachigen Raum unseren Teil dazu beizutragen. Zumindest Sie haben wir offensichtlich erreicht. Nun ist es an Ihnen: Verbreiten Sie die frohe Kunde!